FREISTIL – KW 06/23

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Wochenkommentar KW 06 – 12. Februar 2023

Wahlzuckerln
Amüsement pur – wenn ich die Slogans während des Kärntner Wahlkampfes lese. Kein Wunder, dass heimische Werbeagenturen künftig durch den Chatbot ChatGPT ersetzt werden. Bei so viel Schwachsinn kommt keiner mehr mit. Kostproben.  »Machen wir Kärnten zum Land, in dem Leistung zählt.« [Neos] Wer kann das ernsthaft wollen, frage ich Sie? Peter Jost vielleicht? »Auch Martin wählt Erwin.« Soll das heißen, dass ich Erwin auch wählen soll, weil Martin ihn wählt? Die Gruppendynamiker an der AAU Klagenfurt werden jubeln. Weiter im Slogan-Wald. »DAHAM SCHÜTZN? GEMMA!« hätte ich eher der FPÖ zugerechnet als den Grünen, aber bitte. »Wann, wenn nicht jetzt?« [TK – nicht Teilnehmer Kärnten, sondern Team Kärnten] Am besten nie mit ihrem Spitzenkandidaten. Ich denke, dass diesen Wahlslogan so gut wie JEDE Partei in ganz Österreich, zumindest einmal in ihrem Parteileben, verwendet hat. Wenig einfallsreich. Und dann noch »Ein echter Landeshauptmann«. Kärntens Sozialpartei sollte eigentlich wissen, dass Imitate nicht nur bei Schuhen, Kleidern, Software, sondern auch in der Politik sehr beliebt sind. Man sollte sich mit Imitaten nicht spielen, besonders, wenn die Qualität im Original nachlässt. But, solange der Preis für das Original bezahlt wird und kein brauchbares Imitat in Sicht ist, what shells? Da kann man auch auf die Ungeimpften verzichten. Ob bei so vielen Fantasien am 5. März »Visionen« in den Wahlkabinen aufkommen, das närrische Treiben nähert sich jedenfalls dem Höhepunkt …

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Der langsame Untergang der Medien
Niemand sagt mehr, was er denkt. Niemand schreibt mehr, was er fühlt. Und niemand ist bereit aufzubegehren. Gegen eine Übermacht an Absprachen. Wer die Ströme der vergangenen Jahre aufmerksam beobachtet hat, stellt fest, dass es keinen unabhängigen Journalismus gibt. Dieses gekünstelte Bemühen heimischer Qualitätsblätter ist um nichts besser, als jenes der als nichtsnutzig hingestellten Gratismedien, denen man Boulvardismus vorwirft. Ich komme aus dem Journalismus und sage Ihnen: glauben Sie nichts ungefiltert, was in Zeitungen steht und von Fernsehsendern veröffentlicht wird! Vertrauen Sie Ihrem Instinkt, Ihrer persönlichen Recherche. Ausnahmslos.

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System-Unterschiede
Was ist der Unterschied zwischen Ihnen als Person und einem Unternehmen? Es ist relativ einfach. Sie zahlen Geld an den Staat, damit Sie arbeiten dürfen. Unternehmen, insbesondere große Unternehmen bekommen Geld vom Staat, um Gewinne zu erwirtschaften, die in private Kanäle abfließen. »Ja, aber das ist doch ungerecht«, werden Sie jetzt sagen. Und ich gebe Ihnen Recht. Das ist ungerecht. Und andere werden sagen, »das stimmt nicht«. Und ich sage, das stimmt und nenne Ihnen eines von vielen Beispielen. Der amerikanische Chip-Konzern Intel plant in Deutschland ein Mikrochip-Werk zu eröffnen, seitens der deutschen Bundesregierung waren 6,8 Milliarden Euro [!] Staatshilfe vorgesehen. Nun verlangt das Unternehmen 10 Milliarden Euro. Die Rahmenbedingungen hätten sich verändert, heißt es von Konzernseite. 10.000 Millionen Euro als Standortzuschuss ist schon ne Latte – wie viele Menschen könnte man damit in die Grundsicherung bringen und sie bis zu ihrem Ableben darin halten? Die Autokonzerne Volkswagen und Tesla machen es gleich. Wo ist die Politik in diesen Fragen? Sie sitzt im Nobelrestaurant und diniert mit der Konzernspitze. Köstlich.

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Folge der Frau
Neulich lese ich in einem heimischen Medium, nennen wir es Zeitung, über die Notwendigkeit von Intimkorrekturen. Ein langweiliger Artikel. Mein Fazit: Sie fragen sich bei dieser Bevölkerung ernsthaft, warum Frauen sich die Schamlippen – pardon, sagt man nicht mehr – die Vulvalippen verkleinern lassen? Vermutlich aus demselben Grund, aus dem sie Wangen aufspritzen, Gesichtsstraffungen und Botoxlippen machen lassen, um sich dann über Madonnas neues Gesicht aufzuregen. Zugegeben, ich habe noch keine Frau mit reduzierten Schamlippen kennengelernt. Noch nie hat sich mir eine Frau vorgestellt, mit den Worten: »Ich bins, Helga. Mit den Minisegeln im Schritt. Magst mal anfassen? Designed by Dior.« Auch hat mich keine Frau gefragt, ob ich ihre obszön-gewaltigen „Rochenblätter“ zwischen den Beinen als störend empfinde. Nein, tue ich nicht, wie auch alle anderen Männer nicht. Das ist in eurem Kopf – und ist es nicht in eurem Kopf, so ist es nirgendwo. Und dieser Kopf sitzt bei manchen Facebook-Porträtfotos von Frauen auf anderen Körpern. Irrglaubenderweise schöneren, besseren Körpern. Wen wunderts …

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Die gute Nachricht zum Schluss
Nicht jede kann sich eine Schamlippen- bzw. Vulvakorrektur leisten. Gott sei Dank. Neulich bin ich schweißgebadet aufgewacht. Im Alptraum ist mir eine übergroße Nähnadel erschienen und wollte die Harn- und Samenröhre [Urethra] an der Spitze meiner Eichel zunähen. Das wusste eine Schönheitschirurgin als Fee verkleidet, ihre Flügel waren übergroße Vulvalippen, zu verhindern. Ich bin so dankbar, dass ich aufgewacht bin. So dankbar, dass ich zukünftig als Sexualtherapeut und Sex-Geschichten-Erzähler Märchenstunden abhalten werde.

 

 

Über den Autor

Gerald Eschenauer
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Gerald Eschenauer

Gerald Eschenauer

Schriftsteller. Philosoph. Schauspieler. Kulturvermittler, der zwischen den Welten wandelt.

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