FREISTIL KW 08/23

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Wochenkommentar KW 08 – 26. Februar 2023

Das waren noch Interviews
Neulich las ich ein Interview mit Oskar Werner – ich denke, es wurde im Wiener abgedruckt. Eines der letzten Interviews vor seinem Tod. Und wissen Sie – Nostalgie machte sich in mir breit. Interviews, die man heute nicht mehr liest. Werner schimpfte über den Niedergang des Theaters und seiner Regisseure – und seinen Kampf, diesem Qualitätsverlust ausgesetzt zu sein. Und wissen Sie was? Mir geht es genau so … Oskar Werner zur Potenz.

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»Nur ein Mohrenkopf höchstens, denn Ordnung muss sein.«
Die Sprachpolizei – erneut unterwegs. Diesmal in einem Liedtext des Kärntners Udo Jürgens. Der Mohrenkopf hat es ihr angetan – raus. Rein kommt »Schokokuss«. Konkret in der Giovanni Zarrella Show des ZDF. Ein Grund, warum keiner dieser Sender künftig unser Vertrauen verdienen sollte.

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Kärnten stirbt aus
Optimistischer Ansatz – hoffentlich. Ein paar Idioten weniger. Pessimistischer Ansatz – hoffentlich nicht. Wer soll künftig die Jost*-Pensionen in diesem Land zahlen? Und nicht vergessen, wir haben die Zeit der Pensionisten-Boomer. Im Grunde will/kann keiner mehr arbeiten. Das hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Unsägliche Bürokratie, blödsinnige Unternehmens- und struktureigene Compliance [Richtlinien] – und dann noch der nicht unwesentliche Teil – die Bezahlung. 40 Stunden und das seit 30 Jahren, 1.550 Euro netto. Wollt Ihr uns verarschen? Ja – sie wollen.

* Überstundenkaiser in der Landeshauptstadt Klagenfurt © 2023

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Kultur – ein Auslaufmodell
Wird es künftig ein kulturelles Angebot geben? Wird es Büchereien, Orte der Begegnung und Diskussion im öffentlichen Raum geben? Angebot und Nachfrage – Sie kennen den Schmäh. Und jedes Mal, wenn von Innovation gesprochen wird, handelt es sich um eine geschickte Demontage von Qualität. Nehmen Sie die Schallplatte. Höchste Tonfrequenzen, der perfekte Klang auch MIT dem Grummeln. Es folgte die CD. Reduktion von Frequenzbändern, gewisse Obertöne nicht mehr mittransportiert. MP3 – mit dem stark komprimierten Frequenzband mit bassigem Timbre – dem die Hälfte seiner Musikinformation entnommen wurde, zum Wohle der Dateigröße. Was bleibt ist Minderwert. Nehmen Sie das Internet. Anfangs große Hoffnung auf freie Meinungsäußerung und Wissenstransfer. Heute nicht mehr als eine Einkommensquelle. Für Zeitungen, Contentproduzenten und Selbstvermarkter. Und schon steht die KI als nächster Heilsbringer in den Startlöchern.

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Feindbilder versus Diskussionskultur
Es ist in letzter Zeit in Mode gekommen, Feindbilder zu konstruieren. Bis dato unbescholtene Menschengruppen zu demontieren. Verursacher sind Zeitungen und Politik. Mal sind es Künstler, mal Ärzte, mal Gesellschaftskritiker. Mir geht es nicht um einzelne, mir geht es um die Systematik. Verlassen wird der Weg des Dialogs. Was bleibt, ist die systemische Vernichtung von Gruppen. Das muss ein Ende haben. An ihre Stelle soll der Dialog treten dürfen und die Fähigkeit wie Bereitschaft, ihn zu pflegen. Nichts anderes steht uns allen zu. Nach nichts anderem müssen wir trachten.

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Das Kompetenz-Dilemma
Ich weiß nicht wie es ihnen geht, möglicherweise sind Sie sich des Dilemmas nicht bewusst. Mir fällt es auf, ich bringe es hiermit zur Sprache. Etwas gut zu können, ist nicht mehr erwünscht. In einer Disziplin exaktes Wissen und Können zu haben, wird weder honoriert noch differenziert. Nehmen wir die Sprache. Sprechen zu können, öffentlich aufzutreten, die Sprache virtuos einzusetzen, öffentlich zu lesen, ist kein Verdienst. Nur so ist es verständlich, dass Sportler zu Serienhelden, Migranten zu Fernsehstars und Influencer zu Topverdienern werden. Es hat den zweifelhaften Anstrich der Extravaganz, wenn Menschen durch ihr Nichtkönnen punkten. Insofern unterscheiden wir uns heute von gestern durch – Unfähigkeit …

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Die gute Nachricht zum Schluss
Die Wahlen sind bald – vorüber.

 

 

Über den Autor

Gerald Eschenauer
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Gerald Eschenauer

Gerald Eschenauer

Schriftsteller. Philosoph. Schauspieler. Kulturvermittler, der zwischen den Welten wandelt.

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