FREISTIL – KW 52

F

Kommentar zur vergangenen Woche – KW52 – 01. Jänner 2023

Alltag zum Jahresausklang
Neulich lese ich eine Tageszeitung – die auflagenstärkste in Österreich. Was soll ich Ihnen sagen, es ist dramatisch. Unsere Welt ist im Ausnahmezustand. Titelseite: Die Welt ist GESCHOCKT – ein Skirennläufer beendet seine Karriere. Verzeihung, bei mir löst das keine Schockstarre aus. Aber nichtsdestotrotz, das Leben ist wirklich gefährlich geworden. Gebe ich ihnen Recht. Immerhin LAUERT DER TOD abseits der Kunstschnee-Pisten. Nun, es sollte jedem und jeder klar sein, dass Kunstschnee nicht geleckt werden darf. Mein Bruder hat in den 1970er Jahren sogar einen Verweis ins Schulheft bekommen. „Ermahnung wegen allzu häufigem Schneelecken.“ Und damals war er noch natürlich. Die Altvorderen aus der pädagogischen Anstalt wussten bereits vor Jahrzehnten – Schneelecken ist gefährlich – und bestätigt wird das heute, indem abseits der Pisten der TOD lauert. Komisch, ich habe noch keinen Tod gesehen, der auf mich lauert, weder am Dobratsch noch in der Schütt bei Villach, nicht mal in Thomas Brezinas Winterwunderwelt hinter dem Parkhotel hätte ich den Tod lauern gesehen. Entspannung folgt im Header des Titelblatts: „Nach Dürre, Hitze, Unwettern nun „heißes“ Silvester.“ Ich bin beruhigt …

***

Lesefreundlich
Neulich fand sich ein Buch bei meinen Postkästen ein. Nicht dass wir uns falsch verstehen. Es war nicht IN meinem Briefkasten, es stand AUF dem Briefkasten der Wohnanlage. Und war an niemanden adressiert. Es war offensichtlich ein bereits mehrfach gelesenes oder Jahrzehnte im Bücherregal gestandenes, verstaubtes und nicht gelesenes, jedenfalls ein unliebsam gewordenes und in die Jahre gekommenes Werk. Sich der Bücher zu entledigen, läuft über die Briefkästen. Besser als die Tonne, zweifelsohne. Victoria Holt – Der Fluch der Opale. Ein Roman, wie das Cover verriet. Und es hatte den Zusatztext „LESEFREUNDLICH“. Und ich fragte mich, was würden Leserinnen und Leser zum aktuellen, bereits zurückgezogenen Meschugge-Behördenratgeber des Landes Kärnten wohl sagen? Und ich dachte weiter, sind meine Bücher „lesefreundliche“ Bücher? Also nicht „leser- und leserinnenfreundliche“ Bücher, sondern leicht zu lesende Bücher? Also Bücher für geistig eingeschränkte Menschen. Bücher für Deppen, quasi. Und ich atmete auf. Ich kann mit Fug und Recht behaupten – ALLE meine Bücher sind keine Bücher für DEPPEN. Sie fordern meine Leserschaft. Meine Bücher begleiten die sie in die Hand Nehmenden, treten mit ihnen in Dialog, erfreuen, verunsichern, bestätigen und amüsieren sie. Brüskieren, befrieden und verletzen sie und stellen Tag und Nacht in Frage. Ja, meine Bücher sind nichts für Deppen. Ich habe das Buch trotzdem gerettet und mitgenommen.

*** 

High Speed und driften
Sie geben mir Recht? Zu Silvester oder zu Jahresende sollte man etwas Verwegenes machen. Das Glück noch mal so richtig rausfordern. Die Sau rauslassen. Um die Häuser ziehen. Gas geben. Einfach mal ans Limit gehen. Ja, das dachte ich mir gegen Ende des Jahres. Also habe ich mir am Villacher Hauptplatz eine kleine Packung Maroni gegönnt. Von den 9 Maroni im Papierstanitzel war „keine einzige“ verdorben. Ein Lob auf den Maronibrater, der die Wärmedecke in einer Eleganz lüftete, wie kein anderer. Sicherlich kein Kärntner, dazu war er zu freundlich. Und dann aber – dann ging es ab – mit dem Villacher Bummelzug. Lange musste ich warten – 15 Minuten. Ich habe mich in die erste Reihe gestellt – vor die Kinder gedrängt. Bereits die herannahende Lok inspiziert. Wo werde ich sitzen – wo ist das Erlebnis am prägnantesten? Mitte des Zuges, zweiter Wagon, Deichselübergang zum vorderen. Blick Fahrtrichtung und sofort fiel mir Chris Lohner ein: „Nächster Stopp. Villach Hauptbahnhof. Ausstieg Fahrtrichtung links.“ Nachdem 5 Kinos im Cineplexx – zeitgleich mit AVATAR bespielt – alle nahezu ausverkauft waren, ich für die erste bis dritte Reihe doch keine 20 Euro bezahle, war der Bummelzug die einzig logische Konsequenz. Und die vier Euro haben sich ausgezahlt. Ein Speed, beachtlich. Die 10 km Tafel stimmt sicher nicht. Getuned. Vorbei ging es, über die 2023 zu generalsanierende Villacher Stadtbrücke, vorbei am Riesenherzen vom Nikolaiplatz, mir fehlt das Riesenrad – das hat so gut reingepasst, direttissimo zum Kreisverkehr und zum überflüssigen Bronze-Bahnschaffner am Eingang des ebenfalls 2023 zu renovierenden Hauptbahnhofs, geslidet ist er, im Kreisverkehr, vorbei an den mit den Bussen im Clinch befindlichen Taxlern und retour entlang der lichtlosen Gerbergasse – das waren Emotionen pur, das kann ich Ihnen sagen. Und ich weiß jetzt, wie sich Tom Cruise alias Maverick fühlt – wenn er wenige Meter über dem Boden Höchstgeschwindigkeit erreicht. Ein atemberaubendes Erlebnis.

***

Die letzten Stunden
Die Vorsätze für das neue Jahr?! Ich höre Sie schon raunzen. Geh, lassts mich doch damit in Ruhe. Nein, kein Schmäh, da sollte schon etwas kommen. Und meine Vorsätze, die gibt es. Keine Zeitungen mehr zu lesen zum Beispiel. Die Qualität ist durchwegs erbärmlich. Der verlängerte Arm gut dotierter Politikrepräsentanz ist in diesen Tagen wirklich unerträglich geworden. Die halblustigen Kommentare mancher Schriftstellerkollegen, Quotenautorinnen und aus der Ukraine stammende und für westliche Gazetten schreibende Künstlerinnen sind entbehrlich. Zweiter Vorsatz – ein gutes deftiges Selchwürstel zu Neujahr. Garantiert tierisch, non-CO2-neutral, fett, aber einfach unsagbar köstlich im Geschmack. Dritter Vorsatz – kein Verständnis für menschenverachtende Politik und freiheitseinschränkende Maßnahmen. Auch wenn sich eine bequeme Masse daran gewöhnt hat. Man muss ja nicht überall mittun. Sie lesen von mir … Prosit 2023!

Über den Autor

Gerald Eschenauer
Gerald Eschenauer

Kommentar hinzufügen

Gerald Eschenauer

Gerald Eschenauer

Schriftsteller. Philosoph. Schauspieler. Kulturvermittler, der zwischen den Welten wandelt.

Jetzt zum Newsletter
ANMELDEN

Get in touch

Neueste Beiträge

X
zum Shop